Feierstunde: AKG-Schulleiter gestern in den Ruhestand verabschiedet / Karlheinz Wecht: „Es war keine Liebe auf den ersten Blick“
Bensheim. Ein gut eingespieltes und aufeinander abgestimmtes Team sagt Tschüss: Der Kapitän und sein erster Steuermann, die das Boot sicher durch viele Stürme gelenkt und zu neuen Ufern gesteuert haben, gehen gleichzeitig von Bord.
Oberstudiendirektor Karlheinz Wecht, Schulleiter am AKG, wurde nach Erreichen der Altersgrenze gestern offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Wecht war von 1998 bis 2007 stellvertretender Schulleiter, bis er im Februar vor 19 Jahren das Ruder des altsprachlichen Gymnasiums übernahm.
Lotte Schwan, Dezernentin des Staatlichen Schulamtes, überreichte dem "lieben Karlheinz" und zukünftigen Pensionär nach 46 Jahren Schuldienst die Entlassungsurkunde. Das Land Hessen spricht dem scheidenden Direktor für seine geleistete Arbeit "Dank und Anerkennung" aus. "Dafür hätte es früher schon reichlich Zeit und Gelegenheit gegeben", merkte Schwan mit unüberhörbar kritischem Unterton an. Sie habe sich für den Kollegen ein Mehr an Wertschätzung gewünscht.
Auch sein Stellvertreter hört auf
Gleichzeitig mit Wecht verlässt sein Stellvertreter, Udo Jeserigk, auf eigenen Wunsch das AKG. Vor seiner Versetzung in den Ruhestand nimmt Jeserigk ein Sabbatjahr. Bis zur Ernennung eines neuen Schulleiters wird Oberstufenleiter Dr. Hans-Jürgen Boysen-Stern die kommissarische Leitung übernehmen. Dem Vernehmen nach wird damit gerechnet, dass bis zum Ende des kommenden Schuljahres ein Nachfolger, oder eine Nachfolgerin für Wecht, gefunden ist. Vieles deutet darauf hin, dass eine Frau das Rennen machen könnte. Förderverein-Vorsitzender Thomas von Machui sprach von einem möglichen "historischen Umbruch".
Karlheinz Wecht war es auch, der bei seiner ebenso feierlichen wir kurzweiligen Verabschiedung Regie führte. Ansprachen, die nicht länger als fünf Minuten dauern, hatte er sich gewünscht. Mit sehr persönlichen Worten bedankte er sich bei all seinen Wegbegleitern und Förderern. Nur gemeinsam sei es trotz schwierigster Rahmenbedingungen möglich gewesen, das Ziel, "Qualität und Leuchttürme dieser Schule zu erhalten", zu erreichen. "Wir haben ein Überlebenskonzept gefunden, das das Kollegium durch extreme Mehrbelastung mitgetragen hat." Der Pensionär nannte es eine Erfolgsgeschichte.
Wecht ging kurz auf seine Biografie ein, berichtete von seiner Jugend "in einem kleinen Dorf im Odenwald", seiner Grundschulzeit in Zotzenbach und dem Wechsel ins Aufbaugymnasium nach Bensheim. Nach Studium und mehreren Berufsjahren in Lima/Peru wechselte der Pädagoge im Alter von 47 Jahren als stellvertretender Schulleiter an das AKG. "Es war keine Liebe auf den ersten Blick, eher eine respektvolle Annäherung", beschrieb er seinen ersten Eindruck "nach langer Wanderschaft zurück zu den Wurzeln." Schnell sei ihm das AKG allerdings ans Herz gewachsen und genau so schnell habe er zum Kollegium Zuneigung und Verbundenheit empfunden. Man sei zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammen gewachsen.
Als er 2007 die Leitung übernommen habe, "war das AKG schon längst meine Schule." Wecht vergaß nicht, die frühere Schulamtsleiterin, Dr. Frida Bordon, zu erwähnen, der er viel zu verdanken habe.
"Mein Schatz, ab morgen bin ich immer zu Hause", richtete er das Wort mit einem leichten Schmunzeln an seine Ehefrau Brigitte. Ein klitzekleiner drohender Unterton war nicht zu überhören. Gleichwohl gab er das Versprechen, "die Küche nicht neu zu organisieren. Ich will dich auf Händen tragen."
Musikalisch flott umrahmt wurde die Verabschiedung des Schulleiters von der Big Band unter Leitung von Sonja Hayer-Lenz.
Mit Ruhe alle Herausforderungen gemeistert
Bensheim. Karlheinz Wecht hat während seiner Zeit als Schulleiter am AKG viele Hürden und Widerstände überwinden und auf der Suche nach Lösungen ebenso viele angemessene und konstruktive Kompromisse schließen müssen wie wohl keiner seiner Vorgänger vor ihm. Nur einige Stichworte: der Wechsel von G 8 zu G 9 und wieder zurück, der Weg zur Ganztagsschule, Bauvorhaben wie Fahrradhof, Neubauten von Mensa, Sporthalle und naturwissenschaftlichem Zweig, die geplante Sanierung des Altbaus sowie die Einrichtung einer Schulbibliothek in der alten Turnhalle.
Udo Jeserigk: "Du hat mit Ruhe und Geduld die unterschiedlichen Meinungen unter einen Hut gebracht und die Gremien bei anstehenden Entscheidungen immer mit eingebunden. Unsere Zusammenarbeit war stets von Respekt, Achtung und Vertrauen geprägt - auch an schwierigen Tagen", bescheinigte der stellvertretende Schulleiter dem scheidenden Direktor Teamplayer-Qualitäten.
Lotte Schwan: Auch die Vertreterin des Staatlichen Schulamts in Heppenheim hob Wechts "menschliche Substanz, auf schwierige Themen angemessen und konstruktiv zu regieren und Lösungen zu finden" hervor. Schulelternbeiratsvorsitzender Hartmut Opfermann sprach von einem "Schulleiter auf Augenhöhe" und einer "besonderen Atmosphäre am AKG".
Thomas von Machui: Humor, Gelassenheit, "ein sicheres Gespür für die Menschen, gepaart mit Optimismus, Leidensfähigkeit, leidenschaftliches Engagement, fröhlicher Gelassenheit und Diplomatie, Standfestigkeit und ein Talent zur Konfliktschlichtung" attestierte dem künftigen Pensionär Thomas von Machui vom Förderverein. Den letzten Tag an der Schule versüßte er Wecht mit der Nachricht, dass das Spendenbarometer für die Bibliotheksgalerie auf rund 29 000 Euro geklettert ist - mit Luft nach oben.
Christian Krebs: Der Personalratsvorsitzende verglich das Amt des Schulleiters mit dem eines Theaterdirektors und rief das Drama um die Wiese, die Komödie um die Beschilderung der Parkplätze und als Höhepunkt das Rührstück um das bildungspolitische "Hin und Her von G8 zu G9 und zurück" in Erinnerung. Wecht sei es zu verdanken, dass das Campuskonzept realisiert wurde.
Christian Engelhardt: "Sie haben das AKG geprägt", bekräftigte der Landrat und bescheinigte Karlheinz Wecht, ein "wertschätzendes Umfeld" geschaffen zu haben. Viele Millionen Euro habe der Schulträger bereits in Um- und Neubau des Gymnasiums gesteckt - und werde es weiterhin tun.
Helmut Sachwitz: Bensheims Erster Stadtrat überbrachte die Grüße von Bürgermeister Rolf Richter und hob Berufserfahrung und Fachkompetenz des Ex-Direktors hervor. Auch wenn zwischen Stadt und Schule nicht immer Harmonie und Einigkeit geherrscht hätten, habe man am Ende doch zu einer gemeinsamen Linie gefunden.
Jakob Stehler: "Wir haben ihr Büro nie mit hängenden Mundwinkeln verlassen", erinnerte sich der Verreter der SV.
Beate Wilhelm: Für die Kolleginnen und Kollegen an den Bergsträßer Gymnasien fand die Schulleiterin der Martin-Luther Schule in Rimbach zum Abschied herzliche Worte für den "Genussmenschen Karlheinz Wecht". gs
© Bergsträßer Anzeiger, 16.07.2016 - Von unserem Redaktionsmitglied Gerlinde Scharf
