Altes Kurfürstliches Gymnasium Bensheim

Gymnasium mit altsprachlichem Zweig
Schule mit musikalischem Schwerpunkt
Partnerschule des Leistungssports

Cybermobbing: Experte erläuterte am AKG die Folgen von digitalem Psychoterror / Schule muss ihren Charakter als Schutzraum bewahren

Bensheim. "Wenn eine Schule behauptet, sie habe dieses Problem nicht, dann leugnet sie die Realität." Peter Sommerhalter ist Dozent für neue Medien und weiß genau, dass in den sozialen Netzwerken auch eine Menge Unsoziales passiert. Cybermobbing ist die extremste Form von digitalem Psychoterror. Das Opfer hat keine Chance, denn die Täter kommen bis ins Kinderzimmer.

Warum wird jemand überhaupt gemobbt?

Einen wirklichen Grund gibt es fast nie. Meistens ist den "Mobbern" langweilig oder sie haben Spaß am öffentlichen Beleidigen anderer. Nicht selten sind die Akteure auch ehemalige Mobbing-Opfer, die sich rächen wollen. Peter Sommerhalter spricht von einem König, dem Mobber, und seinen Prinzen (den Gehilfen). "Wenn das Fußvolk es zulässt, macht es sich mitschuldig." Ohne hat der König keine Macht. Wer Mobbing tatenlos geschehen lässt, ist vielleicht bald das nächste Opfer.

Was können Opfer von digitalem Psychoterror tun?

Am besten nicht darauf reagieren, Beweise sichern und mit anderen darüber reden. Ohne Erlaubnis darf niemand Fotos ins Internet stellen, die dem darauf Abgebildeten peinlich sein könnten. Es gilt das das Recht am eigenen Bild. Missbrauch zieht eventuell strafrechtliche Folgen nach sich. Auch Psychoterror, heimliche Aufnahmen, üble Nachrede, Drohungen oder kollektive Hetze können rechtliche Konsequenzen haben.

Ist Mobbing ein reines Schulproblem?

Der Experte sagt: Nein. Aber es wird auch in diesem Kontext ausgetragen. Schule müsse aber ihren Charakter als Schutzraum bewahren. Daher müsse man sich gegen digitale Regelverstöße klar positionieren und keine Toleranz zeigen. Auch, wenn dadurch die Täter bloßgestellt werden. Bei der Aufarbeitung sei ein intensiver Dialog mit Lehrern und Eltern nötig. Nur so sei das Problem lösbar. "Schüler brauchen die Unterstützung und das Vertrauen der Eltern. Dann können sie diese schwierige Phase meistern."

Kann man Cybermobbing vorbeugen?

Ein vorsichtiges Bewegen in sozialen Netzwerken ist eine gute Voraussetzung. Wer seine Privatsphäre schützt und nicht zu viele persönliche Angaben in den Äther schickt, fährt besser als jene, die private Probleme vor Millionen von Usern ausbreiten.

Auf welchen Wegen wird jemand verfolgt?

Die beliebtesten Instrumente heißen WhatsApp, Instagram und die Streaming-Plattform YouNow. Hier werden Bild und Ton live und in Echtzeit übertragen. Facebook hat in der jüngeren Social-Media-Gemeinde an Attraktivität verloren, weil dort längst auch Mama und Papa ihre Erlebnisse veröffentlichen. Über solche Messenger-Dienste kann ein Opfer permanent belästigt werden. Wer sein Smartphone oder Handy abends mit ins Bett nimmt, lässt Mobbern die Chance, für schlaflose Nächte zu sorgen.

Kann ein Kettenbrief das Smartphone zerstören?

Nein. Dabei handelt es sich um einen dummen Scherz, der via WhatsApp verbreitet wird. Ein User soll eine Nachricht an eine bestimmte Anzahl weiterer Empfänger weiterleiten, sonst werde sein Gerät durch einen Virus zerstört. Es wurden auf diesem Weg aber auch schon Todesdrohungen verschickt. Während die einen damit souverän umgehen, fühlen sich andere wirklich bedroht. "Vor allem dann, wenn sie das abends vorm Schlafengehen lesen", so Peter Sommerhalter. Er rät Eltern, das Phänomen mit ihren Kindern zu besprechen - und solche Nachrichten umgehend zu löschen.

Sollten Kinder überhaupt ein Smartphone nutzen?

Eine handfeste Faustregel für den Eintritt in die digitale Welt gibt es nicht. Das hängt mit der sozialen Kompetenz des Einzelnen zusammen. "Wann lässt man sein Kind ins Schwimmerbecken? Natürlich erst dann, wenn es schwimmen kann", sagt Sommerhalter. Genauso verhält es sich mit neuen Medien. Allgemein stellt er fest, dass das problematische, bisweilen exzessive Handynutzungsverhalten immer früher beginnt.

Von einer "Sucht" wollen Experten wie Sommerhalter nicht sprechen. "Das Internet ist ein Werkzeug. Es kann sehr nützlich sein und Spaß machen. Aber es kann auch verletzen." Eltern rät er, ihre Kinder nicht ohne Einschränkungen in die digitale Welt loszulassen und ihnen als "Trainer" beiseitezustehen. Es brauche einen verantwortungsvollen Umgang und beiderseitiges Vertrauen. "Das ist mehr wert als jede Schutz-Software."

© Bergsträßer Anzeiger, Donnerstag, 28.01.2016