Altes Kurfürstliches Gymnasium Bensheim

Gymnasium mit altsprachlichem Zweig
Schule mit musikalischem Schwerpunkt
Partnerschule des Leistungssports

Bergstraße. Rund 1400 Bergsträßer Schüler haben gestern Vormittag in Bensheim gegen den geplanten Stellenabbau von Lehrerstellen an gymnasialen Oberstufen demonstriert. Vier Stunden lang war der Protestzug im Stadtgebiet unterwegs. Die Schirmherrschaft hatte Landrat Matthias Wilkes übernommen. Lehrerverbände, Gewerkschaften und Parteien erklärten sich mit der Forderung der Schüler solidarisch, die von einem Personalabbau massive Einschnitte bei der Unterrichtsqualität befürchten.

"Wir sind mehr als zufrieden", so Kreisschülersprecher Jakob Strehler am Beauner Platz, wo die Demo gegen neun Uhr langsam in die Gänge kam. Die erwartete Teilnehmerzahl von 700 Schülern wurde deutlich übertroffen. Ebenso viele Trillerpfeifen waren rasch vergriffen.

Kritik übten die Schüler am Verbot von Megafonen, das die Stadt Bensheim ausgesprochen habe: "Ein solches Verhalten fördert das Engagement Jugendlicher in der Politik nicht, sondern schreckt diese im Gegenteil eher ab", so Celine Holschuh, Pressesprecherin der Schülerschaft.

Unter Polizeigeleit marschierten die Jugendlichen zum Goethe-Gymnasium und von dort weiter zum AKG. Die Abschlusskundgebung fand auf dem Gelände der Geschwister-Scholl-Schule statt.

"Bildung braucht Lehrer!", stand auf den Plakaten. Durch die Einschnitte beim Personal werde auch das Angebot der Leistungskurse stark reduziert, betonte ein Mitglied der Schülervertretung. Bedroht seien vor allem Fächer, die von relativ wenigen Schülern gewählt würden: Naturwissenschaften, Informatik und die Fremdsprachen wie Spanisch, Italienisch und Latein. Darüber hinaus werden steigende Kursgrößen erwartet. "Die Landesregierung streicht das, was sie vorne gibt, hinten wieder weg", so ein Oberstufenschüler über die geplante Umverteilung. Kleine Oberstufen würden sogar in ihrer Existenz gefährdet.

Der Anlass für den Protest: Die schwarz-grüne Regierung will zusätzliche Lehrkräfte für Ganztagsangebote, für Inklusion und Deutschförderung sowie für sozial benachteiligte Schüler einsetzen. Die fehlenden Stellen sollen durch schrittweise Kürzungen der Zuweisung an gymnasialen Oberstufen sowie an Grundschulen gewonnen werden. Die Kritiker sehen darin ein organisiertes Herunterfahren der Bildungsqualität, da die Lehrstellenzuweisung in der Oberstufe de facto von 104 auf unter 100 Prozent gesenkt werde. Damit wäre eines der zentralen Wahlversprechen der Landesregierung gebrochen.

Der Landeselternbeirat, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wehren sich ebenfalls gegen das Signal aus Wiesbaden. In Bensheim sprach der GEW-Kreisvorsitzende Tony Schwarz von einem "Armutszeugnis" im selbst ernannten "Bildungsland Nummer eins". Schwarz sagte, dass die öffentlichen Töpfe durch die positive Wirtschaftslage gut gefüllt seien. Es gebe daher keinen Grund, an Lehrerstellen zu sparen. Nach Berechnungen der Gewerkschaft geht es um ein Minus von 160 Stellen an hessischen Oberstufen.

Im Gespräch mit dieser Zeitung kritisierte Schwarz den Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner, der die Pläne der Koalition gerechtfertigt hatte. Er hält es für vertretbar, dass "die absoluten Gewinner unseres Schulsystems in der Oberstufe eine etwas geringere Lehrerzuweisung bekommen und dafür diejenigen besser gefördert werden können, die sonst wenige oder keine Chancen hätten".

Auf dem Schulhof des Goethe-Gymnasiums hatten solche Meinungen gestern wenig Platz. Die Schüler machten ihrem Unmut Richtung Kultusministerium Luft, man hörte Sprechchöre vom "Bildungsklau". Die Politik verspreche immer, so eine 17-jährige Schülerin aus Zwingenberg, dass sich die Bedingungen im Bildungswesen verbessern sollen. "Aber in den Oberstufen werden sie nun verschlechtert." Das werde auch bei den Lehrern schlecht ankommen.

Im Laufe des Protestzugs gab es gestern etliche Pädagogen, die offen applaudierten, dass ihre Schüler auf die Straße gehen. Auch im Internet gibt es eine Petition gegen Stellenstreichungen, die schon über 26 000 Personen unterzeichnet haben.

Lob vom Landrat für eine junge Generation, die sich einmischt

Landrat Wilkes lobte bei der Schüler-Demo "zwei bemerkenswerte Dinge": dass die Schüler selbst für ihre Rechte auf gute Bildung öffentlich auftreten und dass damit deutlich wird, dass sich die junge Generation in Politik einmischt und ihre Stimme erhebt.

Zur Kürzung von rund 160 Lehrerstellen erklärte Wilkes als Schuldezernent, dass die über 330 Millionen Euro, die der Kreis in seiner Verantwortung für die äußere Schulverwaltung in den vergangenen zehn Jahren in die schulische Infrastruktur investiert hat, jetzt nicht konterkariert werden dürften. Besonders die kleineren Oberstufen im ländlichen Raum - wie zum Beispiel am Überwald-Gymnasium in Wald-Michelbach - seien besonders betroffen: Eine differenzierte Möglichkeit, Kurse anzubieten, die sich an den Talenten der Schüler orientieren, seien bei einer geringeren Lehrerversorgung nicht mehr darstellbar, so Wilkes in Bensheim.

"Wenn das Land Hessen die Inklusion zur Gesetzgebung macht und den Pakt für den Nachmittag ausruft und dafür zusätzliche Lehrerstellen und Ressourcen notwendig sind, darf nicht umgeschichtet werden. Stattdessen muss zusätzliches Lehrerpersonal eingestellt werden." Es sei volkswirtschaftlich völlig kontraproduktiv, an der Elite zu sparen, die in Zukunft den Karren Deutschland ziehen soll. (BA, 17.07.2015)

Unsere Fotogalerie zur Demonstration: hier