AKADEMISCHE FEIER: AKG schneidet alte Zöpfe ab und strafft die Zeugnisübergabe / 138 Abiturienten verabschieden sich von ihrer Schule
BENSHEIM. Von alten Zöpfen hält man beim Alten Kurfürstlichen Gymnasiums gar nichts. Auch wenn der eine oder andere seine Zweifel daran haben mag: Alte Zöpfe schneidet man am AKG rigoros ab.
Das zeigte sich deutlich bei der akademischen Feier und der Zeugnisübergabe an die Abiturienten in der festlich herausgeputzten und illuminierten Weststadthalle.
Die lange Liste an Grußworten und Gratulanten hatte man einer Radikalkur unterzogen. Im Mittelpunkt stand stattdessen wieder die Überreichung der Abiturzeugnisse und der Buchpreise für hervorragende Leistungen durch den Direktor, den Vorsitzenden des Schulelternbeirats Patrick Roeder und den Fördervereinsvorsitzenden Thomas von Machui.
Schüler, Eltern, Lehrer, Angehörige und Freunde der Abiturienten dürften die Premiere mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben. Auf diese Weise gelang tatsächlich das kleine Kunststück einer würdevollen, lebendigen Feier mit Tiefgang und Humor - die nach rund zwei Stunden ausklang.
Alle 138 Abiturientinnen und Abiturienten hielten am Ende ihre Abschlusszeugnisse in Händen. Herzlich und sehr persönlich verabschiedete sich Direktor Karlheinz Wecht von seinen ehemaligen Schülern, denen ab sofort "die Tür zum Leben offen steht." Dass er von einem "besonderen Jahrgang" sprach, war kein Wunder. Der Notendurchschnitt aller Schulabgänger lag bei 2,25. Mit einer eins vor dem Komma konnten 48 Abiturienten glänzen, drei sogar mit der Traumnote 1,0.
Dass sie Wissen mit Gewissen verbinden, die falschen Propheten durchschauen und einen Weg durch eine immer komplizierter werdende Welt finden, das wünschte Wecht den Abiturienten. Gerade angesichts der Gegensätze sei der Weltfriede bedroht und Demagogen hätten leichtes Spiel. "Gehen sie nicht blindlings durch die Welt", lautete seine Empfehlung. Und zwei persönliche Wünsche äußerte er auch: Die Renaissance der Menschlichkeit und dass die Ehemaligen den Faden zu ihrer alten Schule nicht abreißen lassen mögen.
Als munteres Trio mit einem feinen Gespür für Humor und Ironie stellten sich Gabi Lang als Vertreterin der Tutoren und die Abiturientensprecher Julia Balke und Andreas Kilian gemeinsam auf die Bühne. Statt langatmiger Reden lieferten sich die drei einen flotten Schlagabtausch zwischen Lehrer und Schülern. Interaktion lautete das Thema der Stunde, oder anders ausgerückt: Alt und Jung lernen gegenseitig voneinander, Erfahrung trifft auf Motivation.
Es war die Idee von Tutorin Lang gewesen, sich vom Standard-Procedere zu verabschieden und stattdessen einen öffentlichen Gedankenaustausch anzuregen. Dazu gehörten auch unterhaltsame Rollenspiele über den Schulalltag zweier Sextaner. Ein bisschen Wehmut schwang mit, als Julia Balke und Andreas Kilian den Zusammenhalt des Abiturjahrgangs "gerade in den letzten Monaten als besonders stark" bezeichneten. Zwar habe man in den Lehrern keine neuen Freunde gefunden, dafür sei man zu einer Großfamilie mit 138 Kindern, sechs Vätern, fünf Mütter (elf Tutoren) und ganz viele Tanten und Onkeln zusammen gewachsen.
"Bleibt neugierig und lasst Euch das Denken nicht verbieten", gab Gabi Lang mit auf den Weg. Mit einer netten Geste und kleinen Geschenken bedankten sich die Abiturienten im Anschluss bei den drei Damen vom Sekretariat, bei Oberstufenleiter Dr. Hans-Jürgen Boysen-Stern und Hausmeister Andi Trumpf. Musikalisch begleitet wurde die Feier von Schülern des Leistungskurses Musik unter Leitung von Sabine Wulf und dem Stufenensemble des Abiturjahrgangs. Riesenbeifall gab es auch für eine emotionale Tanzeinlage von Cara Rosenberger und Michael Litters, die Linde Pritz mit dem Paar einstudiert hat. gs
© Bergsträßer Anzeiger, Samstag, 27.06.2015
